Autor:innenpreis THT


Der Autor:innenpreis unserer Buchreihe Täter Helfer Trittbrettfahrer ging an Wolf-Ulrich Strittmatter.

Eine großartige produktive und sehr konstante Zusammenarbeit mit insgesamt 29 gelieferten Artikeln in den 15 Jahren des bisherigen Bestehens von „Täter Helfer Trittbrettfahrer“: diese Leistung hob der Herausgeber Dr. Wolfgang Proske bei seinem Glückwunsch für Wolf-Ulrich Strittmatter hervor. Der frühere Oberstudienrat für Deutsch und Geschichte in Ravensburg hat sich besonders herausragend für das gemeinsame Anliegen eingesetzt: archivgestützt die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Herrschaft auf lokaler Ebene voranzubringen, und das alles kontextualisiert im Gesamtzusammenhang der überregionalen NS-Geschichte. Dafür erhielt Strittmatter am 9. Juli 2025 im Foyer des Studierendenwohnheims „Weiße Rose“ in Weingarten den von Veit Feger (Ehingen) gestifteten THT-Autor:innenpreis. Mitveranstalter war das Denkstättenkuratorium NS Dokumentation Oberschwaben, dessen Mitarbeiter Wolf-Ulrich ebenfalls ist.

In der Laudatio verwies Prof. Dr. Thomas Müller (Leiter des Forschungsbereichs für Geschichte der Medizin am Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg/Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I der Universität Ulm) auf seine langjährige Wertschätzung des Preisträgers, seine „akribische Recherche und gute Ausarbeitung“ der von ihm verfassten Biografien. Er kenne Wolf-Ulrich Strittmatter auch indirekt über eine seiner Doktorandinnen, die ihm von einem ihrer Lehrer erzählt habe, der ihr historisches Interesse nachhaltig gefördert habe. Müller kam zum Ergebnis, dass uns „die in diesen 20 Bänden versammelten Menschen … Vorbereitung, Entstehung, Aufstieg und Fall des nationalsozialistischen Deutschland in ihrer Gesamtheit weit besser verstehen lassen als ein kleinteiliges Studium der Biographien der bekannten Führungspersonen im Deutschen Reich allein…“

 

Bild: Hendrik Schuler

Für die Autor:innen ergriff Udo Grausam (Tübingen) das Wort. Er betonte u.a. die Wertschätzung, die Wolf-Ulrich inzwischen im Kollegenkreis erfährt: sein Aufsatz über den Juristen und SS-Obersturmbannführer Kurt Christmann (THT 16: NS-Belastete aus München), Gestapooffizier und nach 1956 erfolgreicher Immobilienmakler in München, wurde von Dr. Gerhard Neumeier, dem Leiter des Stadtarchivs Fürstenfeldbruck, in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft folgendermaßen charakterisiert: „Der herausragende Aufsatz über Christmann besticht vor allem durch die umfangreichen Archivrecherchen…“

Auch der sachlich einwandfreie Umgang mit dem früheren Bürgermeister Anton Blaser in seiner Heimatgemeinde Bodnegg sei, so Grausam, nach Strittmatters Artikel in THT 9 beispielhaft: „Hier im Regierungsbezirk Tübingen“ bilde das nunmehr erreichte Gedenken in Bodnegg einen „Wärmepol von bürgerlicher Erinnerungsanstrengung und öffentlicher Gedenkanstrengung“, im Unterschied zu einem ebenfalls namentlich genannten „Kältepol“ im Regierungsbezirk Stuttgart.

Dass es überhaupt einen gut dotierten THT-Preis gibt, verdanken wir unserem Mäzen Veit Feger (Ehingen). Er hob die Einzigartigkeit des THT-Projekts hervor; auch war es ihm ein Herzensanliegen, die „unvergleichliche“ Arbeit des Gründers und beständigen Organisators von THT zu würdigen. Daher überreichte er Dr. Wolfgang Proske eine wertvolle Goldmünze; auf hartnäckige Nachfrage erfuhr Feger, dass Proske 48 Beiträge zu THT recherchiert und verfasst hat, als Herausgeber allerdings mit Blick auf den Autor:innenpreis „außer Konkurrenz“ bleibt…
Im seinem Freundeskreis ist die Auszeichnung von Wolf-Ulrich aufmerksam registriert worden. Einer aus ihren Reihen, ein Alemanne offenbar, schickte den folgenden Glückwunsch:

 

Laudatio von Prof. Dr. Thomas Müller

Meine Damen und Herren,

Herr Oberstudienrat a.D. Wolf-Ulrich Strittmatter wird heute, am Mittwoch, 9. Juli 2025, hier im Studentenwohnheim “Weiße Rose” Weingarten der “Autor:innenpreis” des Projekts “Täter Helfer Trittbrettfahrer” verliehen. Dieser Preis wird einmalig anlässlich des Abschlusses der erwähnten 20 (!)-bändigen Buchreihe vergeben.

Gewürdigt wird der Autor im Kreis der Autorinnen und Autoren, der nicht allein sehr gute, und fundierte, sondern, wenn ich recht verstehe, auch die meisten Beiträge zu dieser – für die südwestdeutsche, historische Aufarbeitung des Nationalsozialismus enorm wichtigen Buchreihe – beigetragen hat.

Es sind dies nicht weniger als 29 hochwertige Artikel über NS-Belastete in 15 Jahren – und zwar ehrenamtlich. Unzählige Stunden der Recherche, der Archivbesuche, des Lesens und Schreibens, der Diskussion und des Abgleichs, meine Damen und Herren, bis knappe 30 Biografien standen. Und diese 29 Beiträge, so müssen wir uns klarmachen, ja einen Band der genannten Buchreihe, herausgegeben von Herrn Dr. Wolfgang Proske, alleine füllen würden.

Noch eine beeindruckende Information zur Statistik: Für die Buchreihe haben insgesamt 247 Autor:innen zusammen 470 Artikel erarbeitet und publiziert! Eine orchestrale Meisterleistung! Auch des Herausgebers, wenn ich dies anfügen darf.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
als ich gefragt wurde, ob ich zur Ehrung von Herrn Strittmatter beitragen möchte, habe ich nur schnell meinen Kalender gezückt, wegen der Termine, aber inhaltlich keinen Moment gezögert.

Sehr gerne, lieber Herr Strittmatter, bin ich heute hier.

Wir haben uns bereits in der zweiten Dekade unseres Jahrhunderts kennengerlernt. Eine historische Sachnachfrage brachte uns, meiner Erinnerung nach, damals zusammen. Sie besuchten mich in meinem Büro auf dem Campus der Psychiatrischen Klinik, dem ZfP Südwürttemberg, in Ravensburg-Weissenau.

Auch das Präsent des 9. Bandes der Buchreihe, das Sie mir machten, habe ich in guter Erinnerung. Immer wieder begegnen wir uns, mal zufällig auf dem Weg zu einem Weingartner Weiher, oder beim samstäg-lichen Markt-Einkauf in Ravensburg, oder eben mit Verabredung. Einige Jahre lang begegneten wir uns auch im seitens des Ravensburger Rathauses einberufenen „Arbeitskreis Erinnerungskultur“. Auch nahmen Sie an einem seitens unseres Forschungsbereichs für Geschichte und Ethik der Medizin, zusammen mit dem Denkstättenkuratorium Oberschwaben seit 2018 regelmäßig alle 2 Jahre organisierten Vernetzungstreffen von Forschenden, Museumsverantwortlichen und Mitarbeitenden von Gedenkstätten – als Referent – teil, deren gemeinsames Interesse die historische Aufarbeitung des Nationalsozialismus im deutschen Südwesten ist. Es ging seinerzeit um den langen Weg einer Gemeinde auf dem Weg der Begegnung mit der eigenen Vergangenheit. Bodnegg nämlich.

Wir haben doch so einige eMails miteinander getauscht, in mehr als 15 Jahren – worüber ich mir in Vorbereitung dieser Worte hier heute im Vorfeld noch einmal einen Eindruck verschafft habe. Und es darf hier offengelegt werden, dass uns auch eine recht stark ausgeprägte Frankophilie miteinander verbindet, zu der sich in vielen eMails Hinweise finden, so auch in Ihrer letzten, die Sie mir aus der von ihren verehrten Region des Burgund schrieben.

Kurz, es ist über die Jahre eine sehr schöne Beziehung entstanden, in der nicht nur über Berufliches gesprochen wurde, und die wir beide gleichermaßen wertschätzen.

Ihr Teil-Beitrag zu 20 Bänden „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ ist immens. Einige der Beiträge wurden Stadtgespräch in Ravensburg, Weingarten oder Bad Schussenried. Ihre akribische Recherche und gute Ausarbeitung dieser Biographien ist beeindruckend.

Nur eins, zwei Beispiele:

– Anton Blaser, Band 9
– Dr. Heinz Leonhard, in Band 4
– Julius Viel, ebenfalls in Band 9 veröffentlicht.

Alle diese Beiträge verdeutlichen, was ich bereits anriss: in wie viele Sachgebiete man sich einarbeiten muss, um zu verstehen, wer diese Menschen waren, was sie taten, oder auch unterließen zu tun, obwohl eine Notwendigkeit bestanden hatte. Etwa nicht zu helfen, denjenigen, die in noch ärgerer Bedrängnis waren…

Oder wen sehen wir in der Kategorie „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ vertreten, meine Damen und Herren?
Nun, das zu diskutieren finden wir heute hier gemeinsam nicht die Zeit. Aber die Bemerkung ist mir wichtig, dass die in diesen 20 Bänden versammelten Menschen uns Vorbereitung, Entstehung, Aufstieg und Fall des nationalsozialistischen Deutschland in ihrer Gesamtheit weit besser verstehen lassen, als ein kleinteiliges Studium der Biographien der bekannten Führungspersonen im Deutschen Reich allein, eines Hitler persönlich, eines Goebbels, eines Himmler, oder eines Dr. Josef Mengele, um in die Region zurückzukehren.

Man versteht Geschichte besonders gut am Studium der Ereignisse in der Region. Und es hilft die Lektüre dieser Beiträge von Herrn Strittmatter, dieser Beiträge aller Autorinnen und Autoren, zu verstehen, dass der Nationalsozialismus, salopp gesagt, nicht nur in Berlin und Stuttgart stattfand und umgesetzt wurde. Nein, bis in jedes Dorf, ohnehin in jede Stadt, führen viele Spuren.

Der kollegiale Dank, lieber Herr Strittmatter, also heute an Sie, pars pro toto für alle Schreibenden an diesen Bänden, und im Namen vieler Leserinnen und Leser, wie ich glaube, sagen zu dürfen.

Eine übliche Laudation, meine Damen und Herren,
und ich meine dies keinesfalls despektierlich – ganz im Gegenteil –
eine übliche Laudatio dürfte und könnte gut, hier enden. Mit diesen meinen Worten.

Doch ich möchte noch ein klein wenig mehr offenlegen, was uns verbindet, Herrn Strittmatter und mich. Und das ist durchaus ungewöhnlich. Ein nicht erwartbarer Zufall, sozusagen, aber inhaltlich relevant.

Weshalb sonst sollte ich Ihre Geduld hierfür erbitten?

Zu den ersten Doktorandinnen und Doktoranden, die ich hier in Ravensburg betreuen durfte, und durch ihre erfolgreiche Verteidigung an der Universität Ulm begleiten durfte, gehörte eine sympathische junge Frau und Ärztin, die inzwischen nicht nur promoviert und verheiratet, sondern auch Mutter zweier Kinder ist.

Ich erinnere mich an das Erstgespräch mit ihr, als wäre es gestern gewesen. Sie erklärte mir ihr historisches Interesse als Ergebnis zweier wesentlicher Einflussfaktoren – in diesem Fall: Zweier Personen. Intensiv beschrieb sie mir, was ihre Mutter ihr zu lesen empfohlen hatte, und dann mit ihr gemeinsam las. Etwas, was statistisch gesehen, heute zu viele Eltern leider unterlassen: das gemeinsame Lesen mit den Kindern also. Darunter befanden sich einschlägig Werke, von denen ich das „Tagebuch der Anne Frank“ zumindest erinnere.

Dann jedoch erzählte sie mir von einem ihrer Lehrer, der nach und mit dem Elternhaus ihr historisches Interesse nachhaltig gefördert habe, sie dabei durchaus auch gefordert habe. Wir alle hier im Raum, meine Damen und Herren, müssen nun nicht lange raten, WER dieser Lehrer war? Nicht wahr?

Und mit diesem sehr persönlichen Hinweis, möchte ich meine Worte beschließen, meine herzlichsten Glückwünsche zur Verleihung dieses Autor:innenpreises an Sie, lieber Herr Strittmatter, und Ihnen allen im Raum.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Prof. Dr. Thomas Müller ist Leiter des Forschungsbereichs für Geschichte der Medizin am Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg / Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I der Universität Ulm.

Laudatio von Udo Grausam

Lieber Wolf-Ulrich Strittmatter,

liebe Mitautorinnen und Mitautoren an der Reihe Täter Helfer Trittbrettfahrer in Bayern und in Baden-Württemberg,
lieber Veit Feger,
lieber Wolfgang Proske,
sehr geehrte Damen und Herren!

Für die Mitautorinnen und Mitautoren der Reihe Täter, Helfer, Trittbrettfahrer stimme ich in das Lob und die Glückwünsche für Wolf-Ulrich Strittmatter mit ein.

Mit ihm wird heute der produktivste unter uns Autorinnen und Autoren ausgezeichnet. Denn seine 29 Aufsätze für die jetzt 19 Bände, das sind rechnerisch mehr als eineinhalb Aufsätze für jeden Band: das ist fleißig gearbeitet, das ist richtig gelobt!

Wir Schreib-Kolleginnen und Kollegen danken dir, lieber Wolf-Ulrich, dass du mit deinen Beiträgen die Qualität, die Beständigkeit und die Preiswürdigkeit des Projekts THT über beide Strecken des Projekts in Bayern und in Baden-Württemberg mit gesichert hast.

Du hast mit deinen Aufsätzen schon die erste Anerkennung und Auszeichnung für die Reihe hier in Baden-Württemberg mit erschrieben! Denn die baden-württembergische Landesregierung hat 2021 und die Landesarbeitsgemeinschaft Baden-Württemberg des Vereins Gegen Vergessen – Für Demokratie hat 2019 die Reihe und ihren Herausgeber Dr. Wolfgang Proske bereits ausgezeichnet: mit der Staufermedaille und mit dem Rahel-Straus-Preis.

Ich hab für die ersten zehn Bände fünf Aufsätze beigesteuert, und Wolf-Ulrich als Mitautor bei unseren Autorentreffen hier in Baden-Württemberg kennen gelernt. Es ist mir eine Freude, dieses Lob auch für die Kolleginnen und Kollegen zu Bayern vortragen zu dürfen.

Nur eine kurze Statistik zur Erinnerung: Wolf-Ulrich Strittmatter hat für Bayern und Baden-Württemberg 29 Aufsätze für die jetzt 19 Bände beigetragen:  Für manche Bände der Bände von Bayern sogar mehr als zwei Aufsätze:

  • Drei Aufsätze in den Bänden THT 14, THT 15 und THT 16!
  • Für THT 11, 17 und 19 je zwei!
  • Und je einen Aufsatz für 12, 13 und 18.

Also 18 Aufsätze für Bayern!

Nur zwei Texte von Wolf-Ulrich Strittmatter aus Bayern seien genannt:

  • Über Kurt Christmann, THT 16; den Leiter des Einsatzkommandos 10a in der Einsatzgruppe D (Region Krasnodar), Vorgesetzter des Teilkommandoführers Karl Weibrecht (Ortschaft Marjanskaja am Kuban-Ufer). Die Zeitschrift für Geschichtswissenschaft aus Berlin (im Metropol Verlag) lobt in ihrer Rezension von 2023 des Bandes THT 16: München; durch Gerhard Neumeier indirekt den Autor Wolf-Ulrich Strittmatter des Textes über Christmann: „Der herausragende Aufsatz über Christmann besticht vor allem durch die umfangreichen Archivrecherchen“ (Dr. Gerhard Neumeier, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 71 (2023) 12, S. 1065).
  • Über Dr. Edmund Veesenmayer THT 19; 1949 im Wilhelmstraßen-Prozess in Nürnberg verurteilt wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit an der jüdischen Zivilbevölkerung, Erzwingung von Sklavenarbeit und Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation (SS).

Mir gefällt die Charakterisierung Veesenmayers durch den britischen Geheimdienst MI5 [Military Intelligence, Section 5/Security Service], Abteilung Spionageabwehr, vom 7.8.1946, von Wolf-Ulrich Strittmatter selbst übersetzt aus den Unterlagen der National Archives von Großbritannien in Kew. Und mir gefällt besonders die Montage des Zitats.

Wolf-Ulrich kehrt die chronologische Folge (1946 Bericht des MI 5 und 1949 Protokoll des Wilhelmstraßenprozesses) um und setzt dem (historisch nachgängigen) Versuch von Veesenmayer der Selbstentlastung im Wilhelmstraßenprozess von 1949, die (historisch vorgängige) nüchterne, eindeutige, – coole – Analyse und Bewertung seines Verhaltens durch die britische Gegenspionage entgegen – bereits aus dem Jahr 1946 (!).

Wegen eines solchen Zitat-Fundes lohnt sich die Mühe mit und in den Archiven, die akribische Vorermittlung und die genaue Korrespondenz!

Mit meinen Bildern zum Thema stelle ich mir als Leser vor: Den Abteilungsleiter Spionageabwehr des MI5, mit seinem dreiteiligen Anzug aus Sakko, Weste und Hose – aus Flanell oder Tweed -, sitzend in einem Ledersessel grün gebeizt – British racing green, of course –, und er raucht tatsächlich Pfeife! Als ehemaliger Pfeiferaucher meine ich sogar sagen zu dürfen, dass mein Spionageschef keine stinkige englische Mischung raucht sondern einen feinen Orient.

Wie spricht der Geheimdienstchef über Edmund Veesenmayer?

Junger Mann, wo Sie aus Deutschland kommen, kann ich Ihnen durchaus berichten, was wir vom MI5 schon damals über diesen ‚fiesen Mayer‘ wusste. Von dem ‚fiesen Mayer‘ ist zu sagen, dass er eine „unheilvolle Rolle in der kurzen und brutalen Geschichte der nationalsozialistischen Machtpolitik“ spielte. Er hat die „Nazitechnik der Störung, Verschwörung, Bestechung, zynischen Ausbeutung und plötzlichen Gewalt auf den Bereich der Außenbeziehungen angewandt“ und sich „geduldig auf die blitzschnellen Eroberungen seines Landes“ vorbereitet. Er war ein „unermüdlicher Intrigant und hartgesottener Realist“, der „politische Agent im großen Stil, der geheimnisvolle Mann, der im düsteren Zwielicht der Balkanpolitik agierte“. Veesenmayer hat „die Stabilität und Integrität der Nachbarländer ins Wanken gebracht, damit beim Angriff der Wehrmacht deren Armeen schneller kapitulierten. Schließlich hat er „für Marionettenregierungen ‚aus ehrenwerten Männern‘ gesorgt, um den Widerstand des Volkes zu brechen“. So könnte die verlebendigte Rede des britischen Spionagechefs aus der Originalquelle lauten, die Wolf-Ulrich Strittmatter zitiert, und die aus diesem Zitat ein historisches Hologramm macht. 

Die zitierten Stellen stehen in: Wolf-Ulrich Strittmatter: „Politischer Drahtzieher, keineswegs nur ‚Briefträger‘. Der ‚eiskalte Pragmatiker‘ Dr. Edmund Veesenmayer.“ In: NS-Belastete aus Unterfranken. Hrsg. von Wolfgang Proske. 1. Aufl. (II). Gerstetten 2025, S. 244-265, hier S. 265. (=Täter Helfer Trittbrettfahrer; Band 19 Unterfranken). Zitiert nach der Originalquelle: The National Archives Großbritannien, Kew, Reference KV 2/769, Appendix A to FR 89 (Haller, Dr. Kurt, Personal File 600726/IV): Part II Büro Veesenmayer, Zusammenfassung 7.8.1946.  

Was Wolf-Ulrich Strittmatter für die Reihe THT wichtig war und ist, sind diese drei Themen:

  1. „Schule der Gewalt im Konzentrationslager Dachau“:
    Dazu hat er selbst Texte geschrieben zu Franz Hößler im Band 12, Engelbert Niedermeyer im Band 19 [mit dessen Abschiedsbriefen an Mutter und Ehefrau, gewonnen aus der Forschungsliteratur, S.168f.], zu Johann Schwarzhuber in 18 und Hans Weibrecht in 15.
    Mit Wolf-Ulrich zu Dachau beigetragen haben neben vielen anderen auch Frau Dr. Annette Eberle, Herr Markus Wolter und Herr Dr. Dirk Riedel.
  2. Die „Rattenlinie“:
    so im erwähnten Text von Wolf-Ulrich Strittmatter über Dr. Karl Christmann im Band 16.
    Und als weiterer Autor im Thema „Rattenlinie“ hat zu Albert Ganzenmüller im Band 13 und zu Karl Ritter im Band 19 unser Autorenkollege Eggert Blum beigetragen.
  3. Das dritte Thema heißt „Typologie der Täter“:
    Die biographischen Texte, die wir Autorinnen und Autoren für die Reihe THT vorgelegt haben, können einen Grundstock für eine solche Typologie bilden.

Jetzt zu den Texten zu Baden-Württemberg von Wolf-Ulrich Strittmatter:

  • Sechs Aufsätze für THT 4!
  • Drei für THT 9!
  • Und je einen für THT 5 und THT 8!

Einen Text möchte ich herausheben:

  • Anton Blaser, THT 9, S. 27-43

Blaser war der Nazi-Bürgermeister von Bodnegg im Allgäu, eingesetzt vom Landrat und nicht gewählt von den Bürgerinnen und Bürgern oder vom Gemeinderat.

Die ersten Nachfragen von Wolf-Ulrich Strittmatter zu Anton Blaser erfuhren Widerstand: Der Sohn von Anton Blaser, Guntram, war von 1978 bis 1999 im Landkreis Ravensburg Landrat und solange der da war, wurde nach Wolf-Ulrich Strittmatter ‚Rücksicht genommen‘.

Heute hat der Landrat einen Nach-Nachfolger, und es sind Dinge möglich geworden: Das Foto in der Galerie der Bürgermeister von Bodnegg ist ausgetauscht und ein Kommentar ist ergänzt. Es gibt ein Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus auf dem Friedhof von Bodnegg. Zum Beispiel die Familie Schrempp.

Und ganz wichtig: die Fotos davon stehen schon auf Google Maps!

Was ist in Bodnegg damit erreicht? Wie bezeichne ich das?

Mit einer Metapher aus meiner eigenen zweifachen Erfahrung als Autor und Anreger zum Gedenken vor Ort. 

Die Metapher ist ein Ausdruck für die Skala der bürgerschaftlichen Anstrengung um so ein Gedenken und für die Aufwendung der Gemeinde dazu. Es ist eine Metapher aus der Erdvermessungskunde, der Geodäsie. Sie spricht aber nicht von Nordpol und Südpol. Hier im Regierungsbezirk Tübingen bildet das Gedenken in Bodnegg den Wärmepol von bürgerschaftlicher Erinnerunganstrengung und öffentlicher Gedenkaufwendung. Weil ich vom Kältepol im Regierungsbezirk Stuttgart komme und weil ich weiß, dass es dort auch einen Wärmepol gibt, denn ich bin von den Engagierten dorthin eingeladen worden, weiß ich wovon ich spreche.

Hier herum ist Bodnegg der Wärmepol. Den Text von Wolf-Ulrich Strittmatter über Anton Blaser, vor allem über seine Drangsalierung der Familie Schrempp, sehe ich als Grundlage für die weiteren erfolgten Aktivitäten. 

Ich hoffe, dass ich auch im Sinne der Kolleginnen und Kollegen zu Bayern spreche, wenn ich Ihnen und Euch wünsche: solche Wirkung im Schreiben und solches Erinnern durch andere!

Lieber Wolf-Ulrich, im Namen aller Autorinnen und Autoren der Reihe Täter Helfer Trittbrettfahrer in Bayern und Baden-Württemberg:

Herzlichen Glückwunsch zum Autorenpreis!

Laudatio von Veit Feger

Sehr geehrte Anwesende!

Der Gründer und langjährige Organisator der THT-Buchreihe, der von mir zutiefst verehrte Dr. Wolfgang Proske, bat MICH als den Sponsor des heute zu verleihenden THT-Preises, mich Ihnen kurz vorzustellen.

Also: Ich heiße Veit Feger, ich bin jetzt 81 Jahre alt. Ich stamme aus Ehingen an der Donau. Meine Vorfahren haben dort seit 1834, mit elf Jahren unfreiwilliger Unterbrechung während der NS-Zeit, eine Zeitung in Ehingen geleitet, meist auch GESCHRIEBEN.

ICH, Veit Feger, habe den Zeitungsverlag zunächst ab 1975 zusammen mit meinem Vater, nach dessen Tod ab 1985 bis zum Juni 2004 geleitet. Ich war, wie meine Vorfahren, eine Art Amphibium, ein Lebewesen in zwei Rollen; sowohl Verleger wie Redaktionsleiter.

Wenn ich meine Studienzeit charakterisieren soll, dann erwähne ich, dass ich, in Tübingen und Frankfurt, direkter Schüler von Ernst Bloch, Ralf Dahrendorf und Theodor Wiesengrund Adorno war.

Ich bin seit meiner Jugend beeindruckt von der Zeit des NS in Deutschland, von dem, was in dieser Zeit angerichtet und was danach – lange Zeit meist unzureichend – erforscht – auch bestraft und was gutgemacht wurde.

Ich war 1985 der erste in Ehingen, der in einem Zeitungstext über eine örtliche NS-Tötungseinrichtung berichtete, das war wohlgemerkt – auch bereits VIERZIG Jahre nach dem Ende des Tertium Imperiums.

Als ich von Wolfgang Proske Anfang des Jahrhunderts hörte, dass er eine Buchreihe zu regionalen NS-Tätern plane, empfand ich es als höchste Ehre, dass ich ihn bei den Kosten unterstützen durfte; ich redigierte auch einige Jahre lang zu veröffentlichende THT-Texte.

Ich erlebte das Glück, infolge dieser Lektoren-Arbeit mit mehreren THT-Autoren persönlich bekannt zu werden.

Als ich um die Jahreswende 24/25 mitbekam, dass Wolf-Ulrich Strittmatter mehr als zwei Dutzend Forschungsergebnisse zu der THT-Reihe beigetragen hat, die höchste Beiträge-Zahl eines THT-Autors, schlug ich dem von mir verehrten Wolfgang Proske vor, zumindest jenen großartig fleißigen Ravensburger Forscher und Autor Strittmatter zu ehren.

Wolfgang Proske kümmerte sich dann in bewundernswerter Weise um die Vorbereitung dieser Übergabefeier, wofür ich ihm herzlichst danke. Ich danke auch allen, die an der Gestaltung dieser Feier mitwirken….

Dann hab ich aber noch ein weiteres Anliegen. Es ist richtig, zumindest den FLEISSIGSTEN Autor der THT-Reihe zu ehren. Aber eigentlich ist es ebenso wichtig, den Initiator und Leiter der Reihe, Dr. Wolfgang Proske, zu ehren. Seine Arbeitsleistung seit zwei Jahrzehnten oder länger, sein verlegerischer Mut, seine Bemühung um Autoren und qualifizierte Texte ist unvorstellbar groß. Ich dachte, wenn wir den Autor Strittmatter würdigen, ist es auch angebracht, dem Organisator und – beiläufig – auch Autor Wolfang Proske zu danken und ihn zu würdigen. Und daher möchte ich ihm ein Goldstück übergeben, das so viel wert ist wie der Geldpreis an den verehrten Wolf-Ulrich Strittmatter.

Ich verneige mich vor zwei respektablen Männern…